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Der Unternehmer Sven Nitzschke stellt sich und seine Arbeit vor – die Baumkletterei

Wenn ein Baum gefällt werden muß, aus welchen Gründen auch immer, ist das relativ problemlos, wenn es sich um einen „normalen“ Baum handelt. Der „normale“ Baum, so wird unterstellt, ist gerade gewachsen, ausgestattet mit einer regelmäßig ausgebildeten Krone und, das Entscheidende, es ist ausreichend Platz für die eigentliche Fällung vorhanden. Was aber, wenn es sich um einen sogenannten „Problembaum“ handelt? Wenn der Baum durchaus regelmäßig gewachsen ist, jedoch nicht im Wald sondern im Hinterhof eines Mehrfamilienhauses in der Großstadt wurzelt?

In diesem Fall kann der Motorsägenführer sich entscheiden: Fällt er diesen Baum auf das Mehrfamilienhaus, auf die Garagen, wählt er das Nachbarhaus oder doch lieber die geparkten Autos der Hausbewohner? Natürlich keine von diesen vier Möglichkeiten. Man wird eine fünfte wählen. Diese heißt „Baumkletterer“. Dieser Fachmann macht es sich zur Aufgabe, „unnormale“ Bäume zu Fall zu bringen.

Die Kletterei im Blut

Vielmehr müßte man sagen , daß er die Bäume abträgt. Denn der Fällvorgang wird von der Kronenspitze her begonnen. Der Baumkletterer ist sozusagen der Forstwirt der Lüfte. Ein solcher ist Forstingenieur Sven Nitzschke. Auch wenn dieser Mann eigentlich studierter Förster ist, liegt ihm die Kletterei im Blut: „Ich bin schon als kleines Kind gern auf Bäume geklettert und jetzt eben professionell auf die Bäume, auf die man sich nie getraut hat.“ Fortgeführt hat er diese frühe Veranlagung während des Studiums. In der bergigen Umgebung von Göttingen und dem Mittelgebirge Harz erkletterte er sich viele Felsen und kam schon hierbei mit professionellen Baumkletterern in Kontakt. Nach begeisterten Berichten eines frischgebackenen Baumkletterers von seiner alltäglichen Arbeit und ersten eigenen Baumbesteigungserfahrungen war die Entscheidung klar. Dazu kamen die mäßigen Berufsaussichten für Förster und deren „entromantisierter“ Arbeitsalltag. Auch Förster verbringen viel Zeit am Schreibtisch. „Da dachte ich sofort, super, immer draußen sein und klettern, das macht mir wahnsinnig viel Spaß.“

Am Anfang stehen Kurse

Absägen und Anhängen von Stammteilen! Gut zu sehen ist der Bodenmann, der mit Hilfe des Lastseils das Stammstück kontrolliert zu Boden bringt. / Foto: Thomas BöhlDaß auch die Selbstständigkeit das Richtige für ihn ist, wußte Sven Nitzschke schon vor Ende des Studiums. Zielstrebig beschritt er den Kletterer-Weg. Zuvor sind Untersuchungen und Kurse zu bewältigen. Sven Nitzschke absolvierte einen Erste-Hilfe-Kurs von zwei mal acht Stunden und ließ seine körperliche Fitneß prüfen. Denn für „Arbeiten mit Absturzgefahr“ ist eine arbeitsmedizinische „H9-” beziehungsweise „G41-Untersuchung“ von der Gartenbau-Berufsgenossenschaft vorgeschrieben.

An der Kletterschule der Forstsaatgut-Beratungsstelle (fsb) des Niedersächsischen Forstamtes Oerrel absolvierte Sven Nitzschke den eigentlichen Baumkletterkurs: die „Seilkletterschulung Kurs A.“ Hier lernte er den aktuellen Stand der Seilklettertechnik mit Seilaufstiegs- und Abseilvarianten sowie „Kenntnisse zu Sicherungs- und Schnittechniken beim Einsatz von Handsägen“ und „Teleskopsägen.“  Der Kurs dauerte fünf Tage und wurde mit einem theoretischen so wie drei praktischen Prüfungsteilen abgeschlossen.

Mit dieser Lizenz zum Klettern in der Tasche absolvierte Nitzschke vor dem eigentlichen Sprung in die Selbständigkeit weitere Aufbaukurse zu „Baumbeurteilung“ und „Baumschnitt“, beide angeboten von der Münchner Baumkletterschule. Diese intensive Fortbildung ist für den Unternehmer selbstverständlich: „Für mich ist die Qualifikation und Weiterbildung sehr wichtig, da ich einerseits dadurch Wettbewerbsvorteile im Arbeitsalltag und andererseits das Gefühl habe, den Kunden qualitativ hochwertige Arbeit zu verkaufen.”
Nun hätte die Arbeit losgehen können. Doch vorher mußte ein weiterer Plan in die Tat umgesetzt werden: „Ich wollte erstmal eine Weltreise machen. Wann hat man die Chance, wenn nicht direkt nach dem Studium, wenn man noch nicht voll arbeitet.“
Fast ein Jahr dauerte diese Reise und führte ihn unter anderem nach Nepal, Indien, Australien, Neuseeland und Thailand. Danach begann er, um viele Abenteuer reicher, im Oktober 2008 die Arbeit in Deutschland. Dank früh geknüpfter, umfangreicher Kontakte im Garten- und Landschaftsbau hatte er fast immer Arbeit. „So kam eins zum anderen“, faßt Nitzschke zusammen. „Dann habe ich im Prinzip Vollgas gearbeitet, um schnell auf meine 300 Stunden zu kommen“, sagt Nitzschke und schiebt verschmitzt nach: „Und natürlich zum Geld verdienen.“

Diese 300 Stunden praktische Klettererfahrung sind Voraussetzung für die „Seilkletterschulung Kurs B“. Ebenso Pflicht ist der „Nachweis über Motorsägenfachkunde“. Diese Forderungen sind verständlich, da im B-Kurs der Umgang mit der Motorsäge im Baum gelehrt wird. Der Kursteilnehmer muß sicher Klettern können und Übung im Motorsägenführung haben. „Als professioneller Baumkletterer bin ich schlußendlich nur mit der Motorsäge konkurrenzfähig. Seitdem mache ich auch die etwas komplizierteren Sachen“.

Von Pflege bis Samen sammeln

Aber warum klettert man nun eigentlich in einen Baum? Grundsätzlich, so Sven Nitzschke, gibt es drei Gründe: um einen Pflegeeingriff durchzuführen, um einen Baum zu fällen oder um ihn zu beernten. Bevor aber jemand seinen Fuß auf einen Baum setzt, ist es ganz wichtig, den Baum vorher in Augenschein zu nehmen. Da dies  ohne Unterstützung durch Meßgeräte geschieht, spricht man von der „visuellen Baumbeurteilung“. Beurteilt werden muß der Boden- und Wurzelbereich sowie Stamm und Krone. Hat der Stammfuß bereits deutlich sichtbare Verletzungen, Faulstellen oder sogar Pilzkonsolen, kann das Risiko eines Aufstiegs zu hoch und nicht mehr zulässig sein. Die Zulässigkeit wird hier von der Gartenbau-Berufsgenossenschaft in entsprechenden Regelwerken und Betriebsanweisungen geregelt. Auch ist eine Untersuchung des Baumes mit einem Fernglas sinnvoll, um nicht sein Seil und damit sein Leben an einen Totast zu knüpfen. „In tote Bäume darf ich sowieso nicht klettern“, stellt der Fachmann klar, „und bei Bäumen, die eine Besteigung eventuell nicht aushalten, muß ich abbrechen und eine andere Lösung finden“. Eine Lösung könnte zum Beispiel die Hebebühne sein.

Die Pflege

Neben dem Herstellen von Lichtraumprofilen über Wegen, gehört die Gewährleistung der Verkehrssicherheit zu den häufigen Pflegegründen. Kein Parkbesucher will sich der Gefahr aussetzen, von einem hera­­bfallenden Trockenast verletzt zu werden. Entsprechend häufig vergeben öffentliche Einrichtungen Baumpflegeaufträge für öffentliches Grün.
Das Entfernen toter Äste ist einer der wichtigsten Aufgaben der Baumpflege, weiß Nitzschke aus Erfahrung. Auch Äste, die sich gegenseitig „kaputtreiben“, sind potentielles Totholz und sollten rechtzeitig entfernt werden. Bei kranken Bäumen wird versucht die Krone zu entlasten. „Daß man irgendeine Ersatzmaßnahme macht, die die Fällung vermeidet oder zumindest nach hinten rausschiebt“, ist für Sven Nitzschke der Regelfall.

Reduzieren und entlasten

Daß öffentliche Einrichtungen Problembäume eher erhalten, Privatleute sie eher beseitigt haben wollen, kann der Baumpfleger bestätigen. Während bei der Stadt für die Baumpflege häufig Fachleute angestellt sind, ist im Privatgarten der Besitzer selbst für die Verkehrssicherung der Gehwege an seinem Garten verantwortlich. Aufgrund des meist begrenzten Platzes in Gärten nehmen Größe und Zustand dort wachsender Bäume dann manchmal bedrohliche Ausmaße an, da schnellwachsende Baumarten wie Fichte oder Birke bevorzugt werden, garantieren sie doch schnelles Grün. Sie haben aber auch eine geringere Lebenserwartung und bauen „daher auch relativ schnell statisch ab“.

Ausladende Astbereiche der ungezähmten Baumpracht werden instabil, Kronenteile brüchig oder der Stammbereich weist Faulstellen auf. Eine frühzeitige Kronenreduktion, also eine Einkürzung der Krone kann helfen den Baumwuchs etwas im Zaum zu halten. Mit dieser TEchnik stellt Nitzschke auch immer wieder beschattete Solaranlagen frei. Betrifft die Astentnahme nur kranke und instabile Bereiche in der Baumkrone, wird vom „Entlastungsschnitt“ gesprochen. Allgemein ist aber Vorsicht geboten. Da Krone und Wurzelausdehnung miteinander korrespondieren, kann „zu viel Kronenentnahme eine Verringerung des Wurzelvolumens nach sich ziehen und sich dann kontraproduktiv auf die gesamte Statik auswirken“, warnt Nitzschke.

Doch häufig ist das letzte Mittel nur noch die Fällung. „Das heißt, Baumpflege beginnt schon bei der richtigen Baumart und der passenden Standortwahl“, sagt Nitzschke.
Das Brechen von instabilen Zwieseln verhindert eine „Druckzwieselsicherung“. Mit Seilverbindungen im oberen Drittel der Krone wird eine „dynamische Verbindung“ gezogen, um zumindest bei Wind die Kraftspitzen abzumildern. Die Seilstränge fangen dann unterschiedlich schwingende, aber nun verbundene Äste gegenseitig ab.
Nicht nur für Kunde und Baum ist es wichtig Alternativen zu einer Fällung anzubieten, auch aus rechtlichen Gründen: Für jedes Bundesland und nach Städten und Kreisen variierend existieren sogenannte „Baumschutzverordnungen“. Diese legen unter anderem fest, nach welchen Vorgaben Genehmigungen für eine Baumfällung erteilt werden. Ein Kriterium kann der Brusthöhendurchmesser sein.

Fällen in Meterschritten

Ist doch die Fällung nötig, bieten sich grundsätzlich zwei Varianten an. Entweder sägt man größere Teile des Baumes ab und läßt diese, der Erdanziehung folgend, nach unten fallen.  Oder, wenn Objekte in unmitelbarer Nähe sind die beschädigt werden könnten, der Baumpfleger löst mit verschiedensten Schnitttechniken kleine Baumteile, um diese dann gezielt abzuwerfen.
Wird der Baum als zu kompliziert eingeschätzt, muß abgeseilt werden (engl. rigging). Dafür werden Baumstücke mit extra dafür konzipierten Seilen angebunden und erst dann vom Baum mit speziellen Schnitttechniken getrennt. Irgendwo im Baum, zum Beispiel zentral in der Krone, muß eine Lastrolle installiert sein. Das Seil läßt man über die Rolle und am Boden über ein Bremsgerät, den Abseilpoller, laufen. Ein Abseilpoller oder Port-A-Wrap bremst die Lasten mittels Reibung, die die Lastkraft so klein werden läßt, daß der Bodenmann die Last kontrolliert ablassen kann. Wichtig dabei ist: „Lastmaterial“, also Seile, die für das Abseilen von Baumteilen verwendet werden und (PSA-Seile), mit denen sich der Mann am und im Baum sichert und bewegt , dürfen niemals verwechselt werden. Denn die persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz (PSA) ist für schwere Lasten nicht ausgelegt.

Samenernte

baumklettern_samenernte_grEin weiteres Arbeitsgebiet von Baumkletterern ist die Samenernte. Um qualitativ hochwertiges und herkunftsicheres Saatgut für die Forstwirtschaft zu gewinnen, unterhalten die meisten Landesforsten extra ausgewiesene Saatgutbestände. Um dieses zu ernten, sind Baumkletterer nötig. Die beste Zeit einer Beerntung sind die Mastjahre der Baumarten. Einen 45 Meter hohen Baum zu bepflücken, kostet viel Zeit und Mühe. Das lohnt sich nur bei gutem Behang. Außerdem ist das Zeitfenster sehr klein. Nur wenige Wochen verbleiben die Samen am Baum. Dazu Nitzschke: „Das sind dann vier bis fünf Wochen Arbeit am Stück in denen man möglichst sieben Tage die Woche arbeitet.“
Sinnvoll ist die Ernte durch einen Pflücker nur für die Baumarten mit leichtsamigen Fruchtständen. Während Bucheckern oder Eicheln nach Abfall vom Baum mit vorher ausgelegten Netzen relativ leicht gesammelt werden können, müssen beispielsweise Ahornsamen geborgen werden, solange sie noch gebündelt an den Zweigen hängen. Das Aufsammeln der Ahornsamen, die sich mehrere hundert Meter um den Mutterbaum verteilen, könnte mühsam werden.

Nachdem der Pflücker in den Baum geklettert ist, sammelt er das Saatgut händisch ab und befüllt einen kleineren, mitgeführten Beutel. Ist dieser „Pflücksack“ voll, steuert der Pflücker einen großen Sack an, der zuvor zentral im Baum aufgehängt wurde. Ist auch dieser Sack gefüllt, erschallt der „Achtungsruf“. „Aus 35 bis 45 Meter Höhe werfe ich dann den Sack ab. Aus diesem Grund dürfen die Säcke auch nur zu etwa zwei Drittel befüllt werden, um ein Aufplatzen beim Aufprall auszuschließen.“ Die gefüllten Säcke werden vor Ort von einem Forstbeamten abgenommen, gewogen und verblombt. Dieses Vorgehen schreibt das Forstvermehrungsgutgesetz vor, um einer möglichen Verunreinigung des Saatgutes vorzubeugen. Bezahlt wird der Kletterer nach Kilo abgegebenen Saatguts. Neben Sorgfalt ist deshalb immer auch Geschwindigkeit wichtig.

Mit dem Wurfsäckchen in den Baum

Doch bevor Nitzschke im Baum arbeiten kann, muß er aufsteigen. Aufstiegsvarianten gibt es einige. Die von Sven Nitzschke oft genutzte, gehört zu den Klassikern: Am Anfang steht ein Wurfgerät, das sich „Kevin allein zu Hause“ oder „Bart Simpson“ in ihren kühnsten Träumen nicht hätten vorstellen können. Die Big shot oder auf deutsch Wurfsackschleuder. Sie ist vergleichbar einer überdimensionalen Zwille. Mit dieser wird ein 270 bis 350 Gramm schweres Bleischrotsäckchen in den Baum geschossen. Bei sehr hohen Bäumen, wie in Nordamerika, macht man so etwas schon mal mit dem Bogen oder der Armbrust. Mit dem Säckchen verbunden, wird ein Vorseil mit in die Höhe gezogen, die Wurfschnur. Als Ankerpunkt wird eine sichere, also gesunde Astgabel oder ein dicker stabiler Ast gewählt. Über diese Astausprägung wird das Bleischrotsäckchen hinweg geschossen, so daß die Wurfschnur nun auf dem angepeilten Ast liegt. Einige Übung ist für dieses Zielschießen nötig. Bei Sven Nitzschke sitzen mittlerweile zirka 80 Prozent aller Schüsse. Aber an schlechten Tagen können erfolglose Einschießversuche Nerven kosten: „Du stehst ohnehin schon unter Zeitdruck und willst gut und schnell arbeiten und verlierst dann Zeit beim Einschießen, das nervt“.
Mit Erfahrung und geschultem Auge wird das Wurfsäckchen und mit ihm die Wurfschnur, auf der anderen Seite des Zielastes wieder zu Boden gelassen. Die Wurfschnur wird nun mit dem eigentlichen Aufstiegsseil (Kernmantelseil) verknüpft und über den Ankerpunkt gezogen. An diesem wird der Kletterer später in den Baum aufsteigen. Das ebenfalls herabgelassene Ende des Aufsiegseiles wird am zu bearbeitenden Baum oder einem anderen stabilen Punkt mit einem speziellen Knoten festgebunden. Sven Nitzschke bevorzugt hierfür den Gesteckten Achterbuchtknoten kombiniert mit einer Würgeschlinge und hintersichert diese Knotenverbindung mit dem Spierenstichschleifknoten. Spezielle Knoten erkennt man schon an deren speziellen Namen. Jetzt ist ein Seilzugang in den Baum geschaffen. Mit am Seil befestigten Steigklemmen kann Sven Nitzschke nun aufsteigen. Oben angekommen, installiert er dann ein extra mitgeführtes Kletterseil mit dem Kambiumschoner. Dieser soll, wie der Name schon sagt, die Baumrinde vor Verletzungen durch das Kletterseil schützen und ist im Grunde eine Bandschlaufe, in die das eigentliche Kletterseil eingehängt wird. Dieses Kletterseil ermöglicht erst das freie Bewegen in der gesamten Baumkrone. Der Knoten, der den Klettergurt am Kletterseil hält, ist ein Klemmknoten, zum Beispiel ein Prusik-Knoten. Dieser Knoten läßt nach dem selbstblockierenden Prinzip ein Hochrutschen am Seil zu, sperrt aber gegen ein Zurückrutschen ab, da er sich durch das Körpergewicht des Kletterers verkantet und fest um das Kletterseil zusammenzieht. Mit dem langen Kletterseil gesichert, steuert Sven Nitzschke nun die verschiedenen Arbeitspositionen in der Krone an, wo er sich jeweils mit einem zweiten, kürzeren Seil zusätzlich einbindet. Nun ist er in jeder Arbeitsposition doppelt vor Abstürzen gesichert.

Schöner Ausblick mit Gefahrenpotential

„Der höchste Baum auf dem ich war, war eine Küstentanne in der Nähe von Bremen, die war etwa 50 Meter hoch. Man fühlt, daß man nochmal in einer ganz anderen Etage ist. Man sieht dann auch die anderen Bestände, die liegen immer 15 bis 20 Meter tiefer. Es ist ein wahnsinnig schöner Ausblick.“ Aber auch wahnsinnig schön exponiert und wenn es windig ist, kann es recht unangenehm werden. Das weiß Sven Nitzschke aus eigener Erfahrung. So wurde er bei der Beerntung von Küstentannen seekrank. „Gerade wenn man mit dem Magen etwas empfindlicher reagiert“, meint Nitzschke, „kann diese Erkrankung
auftreten“. Tabletten gegen Reisekrankheit schufen Abhilfe.

Dieser Vorfall zeigt natürlich auch die großen Gefahren bei der Baumkletterei. „Man muß permanent hochkonzentriert sein, damit einem keine Fehler unterlaufen. Im Gegensatz zur Motorsägenarbeit am Boden hat man nie einen festen Stand. Häufiges Arbeiten auf Brusthöhe und die Gefahr des Rückschlageffekts können schlimmste Schnittverletzungen oder einen Absturz zur Folge haben.“
Deshalb müssen, auch laut Berufsgenossenschaft immer zwei Kletterer an der Baustelle sein, die in Ruf- oder Sichtweite zueinander arbeiten, um einen Unfall des Kollegen entsprechend zu bemerken. Sven Nitzschke hat hierfür volles Verständnis: „Ein Laie bekommt einen ja niemals vom Baum. Und wenn die Feuerwehr nicht mit ihrer Leiter auf die Baustelle kommt, weil sie in einem Hinterhof liegt, dann hat man da oben echt die Arschkarte.“
Lebensgefährlich wird es, wenn der Mann im Baum bewußtlos ist, beispielsweise weil er von einem Ast getroffen worden ist. Es droht dann ein für Kletterer typisches „Orthostatisches Hängetrauma.“ Hierbei kommt es durch den Klettergurt zur Abschnürung von Gliedmaßen und so zum Versacken des Blutes in den herabhängenden Körperteilen. Spätestens nach einer halben Stunde kann eine anhaltende Sauerstoffminderversorgung des Gehirns eintreten – eine lebensbedrohende Situation. In diesem Fall muß die verletzte Person vom zweiten Mann zu Boden geseilt werden. Hier muß sie, solange sie atmet, in aufrecht sitzender Haltung gelagert werden. Die sonst übliche stabile Seitenlage ist in diesem Fall nicht anzuwenden. Sonst könnte verbrauchtes Blut mit gebildeten, giftigen Stoffen aus den unteren Extremitäten zu schnell in den Körper fließen und das Herz-Kreislaufsystem überlasten. Um dies zu verhindern, muß der Verunglückte etwa 20 Minuten in einer Hockkauerstellung bleiben und darf nur langsam in eine liegende Haltung (Schocklagerung) überführt werden.

Tophandle oder händisch?

Das vielleicht typischste Werkzeug des Baumkletterers ist die Tophandle-Säge,  fälschlicherweise auch als Einhandsäge bezeichnet, weil man sie einhändig führen könnte. Das aber verbieten die Unfallverhütungsvorschriften (UVV) und wäre „saugefährlich“. Der Favorit von Sven Nitzschke ist momentan die Stihl 200T, das T steht für Tophandle. „Sie ist insgesamt sehr führig weil der hintere Handgriff fehlt. Man kann sie somit auf engem Raum gut bewegen“, gibt Sven Nitzschke als Grund für seine Präferenz an. Während er die Tophandle für die ersten Sägearbeiten im Baum nutzt, setzt er, wenn es dicker wird, die 346 XPG Husqvarna ein. Diese hat ihre Vorzüge in den höheren Drehzahlen – wichtig um schnell dickes Holz durchzusägen. Seltener im Baum aber häufiger am Stammfuß braucht er die große Lösung. Dann greift der Kletterprofi für diese letzten Schnitte auf die „zuverlässige“ 660 von Stihl zurück.

Es muß aber nicht immer mit Motor sein: „Ich kenne viele, die würden nie auf ihre Motorsäge verzichten, aber ich bin da anders. Der Vorteil mit der Motorsäge schnell ein, zwei Schnitte zu machen, steht manchmal in keinem Verhältnis zu der Gefahr, die von der Motorsäge ausgeht.“ Die Handsägen der Baumkletterer stehen bisweilen ihren großen kraftstoffbetriebenen Schwestern in nichts nach. Wo sie an Leistung zurückbleiben, gewinnen sie deutlich durch ein geringeres Gewicht und erleichtern so das Klettern. Dazu kommt das verminderte Verletzungsrisiko. Deshalb arbeitet Sven Nitzschke oft mit der Handsäge Ars Turbocut. Diese ist „super vom Preis-Leistungsverhältnis“. Etwa alle eineinhalb Monate muß das Sägeblatt gewechselt werden. Die Kosten pro Sägeblatt der Ars Turbocut von 25 Euro im Gegensatz zu  üblichen Sägeblattkosten anderer Hersteller von 50 bis 60 Euro machen den Unterschied. Für die Motorsägen eine echte Konkurrenz ist seine Silky Ibuki. Dank gröberer Zahnung schneidet diese große Handsäge „granatenmäßig“. Die Feinarbeit dagegen, zum Beispiel für den Obstbaumschnitt, erledigt eine Silky Super Accel mit entsprechend feinerer Zahnung. Manchmal genügt aber auch die Rosenschere.

Was steht an

„Da der Baum ein kompliziertes Wesen ist, muß man Fachmann sein“, betont Nitzschke, und weil er Fachmann bleiben will, hat er kürzlich noch den European Treeworker-Schein drangehängt und den Schein „zum Kontrolleur der Persönlichen Schutzausrüstung gegen Absturz“ absolviert. „Ich habe viel Fachwissen“, sagt Sven Nitzschke, „aber mehr ist immer besser.“

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Julian Delbrügge


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